RVZ quo vadis? Wohin führt der Weg des Rennvereins Zürich nach der Verhaftung von Martin Gloor?
Die Meldungen in verschiedensten Medien überschlagen sich seit der Verhaftung von RVZ-Präsident Martin Gloor. So viel Medienpräsenz hätte man sich kaum je erträumt im Zürcher Unterland. Es gibt einigen Anlass zur Sorge.
Vor etwas mehr als einem Jahr, im Herbst 2010 war er quasi aus dem Nichts aufgetaucht. Erstmals von einer etwas breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen an einer Galopp Schweiz-Versammlung in Lenzburg. Dann plötzlich wurde er vom RVZ-Triumvirat Syz/Hunziker/Ess als Millionen-Investor präsentiert, der RVZ-Vorstand unterzeichnete einen Vorvertrag, der Gloor weitgehende Rechte am Trainingsbetrieb und der Rennbahn gewähren sollte.
Dann folgte im Frühling 2011 die vielzitierte Generalversammlung, an welcher die Ereignisse sich überschlugen. Der designierte Präsident Marc Hunziker erklärte den verdutzten Mitgliedern, er stelle sich nun doch nicht zur Verfügung - vorausgegangen waren offenbar Scharmützel mit den Dachverbänden, was Hunziker sich nicht bieten lassen wollte.
Martin Gloor sah seine Chance gekommen, versprach der Versammlung als Antrittsgeschenk 1.5 Millionen Franken für den Fall, dass er als Präsident gewählt werde. Dies brachte eine Mehrheit auf seine Seite, nachdem unter anderem der Vorgänger des abtretenden Präsidenten Dieter Syz, VSV-Präsident Fritz von Ballmoos, den Anwesenden erklärt habe, ein RVZ-Präsident habe gemäss Statuten relativ wenig Macht und man solle doch "um Himmels Willen" Martin Gloor zum Präsidenten des Rennvereins Zürich wählen, wenn er doch bereit sei 1.5 Millionen zu bezahlen.
Nun, Gloor wurde gewählt. Er selbst wählte die NZZ und Sport-Redaktor Peter Jegen sowie die renommierte Kommunikations- und Marketing-Agentur Richterich & Partner als mediale Begleiter. Tatsächlich erschien schon bald darauf in der NZZ ein Interview mit dem neuen Präsidenten - eine ideale Plattform, um sein Projekt von einer Rennbahn, die in neuem Glanz erstrahlen sollte, zu präsentieren. Dass er und seine Firma Core Capital Partner AG dadurch selbst zur Zielscheibe (um ihr Geld geprellter Investoren) werden könnte, daran dachte Gloor offenbar nicht oder nicht stark genug.
Es dauerte eine Weile, bis sich Gläubiger meldeten. Doch aus den Sommer-Monaten figurieren Forderungen auf den Betreibungsauszügen von Martin Gloor privat sowie der Core Capital Partner AG, welche horseracing.ch vorliegen. Anfang September kam eine happige über rund 4 Millionen Franken hinzu, sowohl gegen ihn privat wie auch gegen die Firma.
Im November 2011 waren zudem privat noch zwei Forderungen von den Steuerämtern der Stadt und des Kantons Zürich drauf, für welche bereits ein Zahlungsbefehl vorlag. Weiterer Kommentar überflüssig (deutlich flüssiger jedenfalls wie die finanzielle Situation des RVZ-Präsidenten, für den natürlich nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt).
Nach der Verhaftung vom 5.12.2011 mit dem nachfolgenden Bericht von SF im Nachrichtenmagazin 10vor10 haben sich die Medien nun eingeschossen. Wir haben weiter unten einen Überblick verschiedener Artikel zusammengestellt, damit sich unsere Leser selbst ein Bild machen können.
Insbesondere am Samichlaus-Tag 2011 überboten sich die Online-Portale von Tages-Anzeiger, 20-Minuten, Schweizer Fernsehen und NZZ förmlich. Auf tagesanzeiger.ch war der Bericht über die Verhaftung von Martin Gloor am Vormittag des 6.12.2011 sogar über längere Zeit die meistgelesene Story überhaupt - vor Themen wie Euro-Rettung (Version 238'388'559), "Deutschland - Europas Sonderfall", "Bundesratswahlen" oder "Jankas Schweigen im Teufelskreis".
Der spektakuläre Fluchtversuch, der neben neuen Polizei-Kräften auch noch die Feuerwehr auf den Plan rief, ist eine der Stories, die beim Publikum natürlich gut ankommen.
Die Fragen nach den Hintergründen bleiben hingegen meist unbeanwortet. Weshalb kann ein offenbar zweifach Vorbestrafter überhaupt so weit kommen? Mit welcher Masche hat es Gloor diesmal versucht?
Doch es gibt vereinzelt auch Antworten. So im Artikel "Wie der Ex-Jockey mit den Anlegern umsprang" auf 20minuten.ch (hier geht es zum Artikel).
Online sind auch einzelne Reaktionen aus dem Vorstand des Rennvereins Zürich. So lässt sich Vizepräsident und Finanzchef Hans-Peter Ess zitieren, von den versprochenen 1.5 Millionen sei ein Teil - die Rede ist von 850'000 Franken - überwiesen worden. Gloor haben einen Teil der Darlehen des RVZ übernommen. Ob die volle in Aussicht gestellte Summe überwiesen wurde, kann Ess aber noch nicht sagen, wie SF online schreibt. Er (der langjährige Finanzchef) sei derzeit daran, sich einen Überblick über die Zahlungseingänge zu verschaffen.
Der springende Punkt ist, wie vom Vorstand des Schweizerischen Pferderennsport-Verbandes SPV mehrmals erwähnt, in welcher Form diese Gelder in der Bilanz des RVZ effektiv verbucht sind. Ob als Darlehen, als Schenkung etc. Diese Fragen konnte oder wollte Gloor bisher nicht beantworten.
Dies ist deshalb wichtig, weil in den kommenden Wochen die Gläubiger (respektive deren Anwälte) Gloors und seiner Firma sich unweigerlich auf die Suche nach verwertbaren Vermögenswerten machen werden, nicht zuletzt beim RVZ. Und dass die neuen Rennbahn-Rails wieder ausgebuddelt werden, ist eher unwahrscheinlich...
Der (Rest-)Vorstand des Rennvereins Zürich, so steht in einem weiteren Artikel habe sich am Dienstag Abend (6.12.2011) zu einer Krisensitzung getroffen. Geplant war für diesen Abend ursprünglich ein Vorstandsessen (natürlich mit dem Präsidenten) im Restaurant HAUTE, einem der exklusivsten Restaurante in Zürich - Zutritt nur für "Member" oder deren Gäste.
Wir erreichten SPV-Präsident Jean-Pierre Kratzer auf der Rückreise aus Paris, wo er als UET-Präsident unterwegs war. Kratzer erklärte, es sei nicht am SPV die Verhaftung von Gloor als solches zu kommentieren. "Der Vorstand SPV hat seine Arbeit gemacht, insbesondere in den Sommermonaten hatten wir sehr viel zu tun in Sachen RVZ. Auch wenn das nicht überall so gesehen wurde, so gibt es Gründe dafür, weshalb wir bei der Lizenzvergabe mit den Informationen, welche der RVZ lieferte nicht zufrieden sein konnten. Und es gibt Gründe dafür, weshalb der Vorstand SPV den Gesamtvorstand des RVZ treffen wollte. Wir wollten den RVZ-Vorstandsmitgliedern unsere Vorbehalte erklären und sie warnen. Die jüngsten Ereignisse geben uns recht."
Wichtig sei, dass die Dachverbände gegenüber dem RVZ keine offenen finanziellen Forderungen hätten. Nun sei es an den RVZ-Vorstandsmitgliedern ihre Verantwortung wahrzunehmen und letztendlich auch an den Mitgliedern des Rennvereins Zürich dann spätestens an der Generalversammlung (gemäss Statuten zwingend bis Ende März durchzuführen) oder an einer vom Vorstand ausserordentlich einberufenen GV (Einladung mindestens 14 Tage vorher). "Die RVZ-Mitglieder müssen entscheiden, wie und mit wem es weiter gehen soll", so Kratzer, der versicherte, der SPV werde im Sinne des Sports alles dafür tun, dass es in Dielsdorf auch in Zukunft Rennen gebe. Aber nun liege der Ball beim Vorstand RVZ. Der SPV-Vorstand wartet aufmerksam und gespannt auf die Massnahmen, die nun getroffen werden. Danach werden wir die Situation analysieren und uns dazu äussern.
In der Woche vor seiner Verhaftung hat Martin Gloor an einer von ihm einberufenen Trainer-Sitzung (zu welcher er eine Stunde zu spät kam) neue "Spielregeln" auf dem Gelände des Trainingszentrums angekündigt. Unter anderem ging es eine Art Kleidervorschriften. Wer kein Geld für schöne Kleider habe, möge doch zu ihm kommen, er helfe dann.
Böse Zungen behaupten nun, ab 1. Januar 2012 müssen sämtliche Trainingsreiter auf der Parkrennbahn weiss-schwarz gestreifte Kleidung tragen.
Affaire à suivre.
Dieses Bild haben wir am Mittwoch (7.12.2011) zugespielt bekommen - wir gingen von einem "Fake" mit Bildmontage aus - nun hat es der Blick (Print) am Freitag (9.12.2011) publiziert.
Martin Gloor turnt - als Übung für eine Flucht?
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