Das Positive, die überragende Leistung von Pont des Arts, überstrahlt (fast) alles. Als nächsten Fixpunkt hat seine Entourage nun wie gemeldet Compiègne ausgesucht, genauer den Grand Prix de Compiègne am 30. Juni 2009, ein mit 60'000 EUR dotiertes Listed-Rennen über 2000 Meter, die 5. Etappe des Défi du Galop. Auf diesen Dienstag im Juni fiebert die Turf-Schweiz nun also hin.
So weit so gut. Die Frage, die sich sofort stellte: Wie schnell war denn die Zeit, die Pont des Arts im BMW gelaufen ist? Wer am selben Tag die Zeiten verglich, musste feststellen, dass Proudly Presence im Handicap 3 eine halbe Stunde zuvor eine halbe Sekunde schneller gelaufen sein soll (2:25,4 gegenüber 2:25,9)...
Ich habe mich der Sache angenommen und anhand unserer Filmaufnahmen die Zeiten der beiden Rennen ermittelt: Proudly Presence lief nach unseren Messungen eine Zeit um 2:30 - Pont des Arts kommt hingegen näher an 2:25 als an 2:26 heran. Wir würden demnach sogar soweit gehen zu behaupten, Pont des Arts sei schneller gelaufen als die 2:25,7 von Brother's Valcour 2003, welche BMW-Rekord bedeuten. Nur, die offizielle Zeit ist und bleibt 2:25,9 - ausser Galopp Schweiz würde Anhand von Filmaufnahmen eine Nachmessung durchführen lassen...
Doch da gibt es definitiv weit grössere Probleme zu lösen im Schweizer Rennsport. Soviel steht fest. Und da sind wir schon beim nächsten Thema. Im und nach dem ersten Rennen spielte sich ein Skandal tiefster Klasse ab - von den meisten unbemerkt (inklusive Rennleitung und Rennleitungstierarzt). Duc Martin gab mit 13 Jahren ein nach Ansicht vieler völlig unnötiges Comeback. Er, der in seiner Karriere schon mindestens vier lange Verletzungspausen hinter sich hatte. Er, der seit Ende August 2008 viermal zum Nichtstarter erklärt worden war, musste nun also nochmal ran. Und es passierte das früher oder später Unvermeidliche: Duc Martin galoppierte schon mitten im Rennen nicht mehr sauber, kämpfte aber weiter und holte sich sogar noch das 3. Geld.
Als die Pferde von der Bahn kamen, war sein Reiter bereits abgestiegen. Duc Martin ging lahm. Und was taten die Offiziellen? Die Rennleitung sah dies gar nicht, weil sie in corpore ihren Platz auf der Tribüne verlassen und sich ins Rennleitungsbüro im unteren Teil der Tribüne begeben hatten. Als ich sie darauf aufmerksam machte, wollte niemand etwas davon wissen.
Weiter ging es im Text. Wenigstens der Rennleitungstierarzt im Führring musste doch einschreiten, oder wenigstens Notiz nehmen vom humpelnden Duc Martin. Doch er war gerade dabei, einen neuen Traber fürs nächste Rennen zu identifizieren. Von mir darauf angesprochen, er möge sich doch umdrehen und den inzwischen abgesattelten Duc Martin begutachten, winkte er ab und identifizierte weiter...
Das System funktioniert nicht, jedenfalls nicht wie es sollte. Und niemand ist verantwortlich. Der Präsident Galopp Schweiz sagte mir, er habe in Fehraltorf auf die Besitzerin von Duc Martin eingeredet und ihr erklärt, sie stehe im Fokus und solle Duc Martin doch nicht mehr oder nur auf weichem Boden laufen lassen.
Offizielle Stellen können oder wollen offenbar nichts unternehmen, wenn wie im aktuellen Fall ein Attest von einem (Privat-)Tierarzt vorliegt, das Pferd sei "gesund" und "renntauglich".
Um sämtlichen, sicher jetzt auftretenden Mahnern, gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, die lieber die Augen verschliessen und die Publikation solcher Fakten als Nestbeschmutzung und schädlich für den Rennsport bezeichnen: Ich bin felsenfest überzeugt, dass der Rennsport solches Tun mit allen Mitteln bekämpfen muss. Leute, die ein in seiner Karriere schon x-fach schwer verletztes Pferd, nochmal in ein Rennen schicken und weitere Verletzungen in Kauf nehmen (inklusive Gefährdung anderer Pferde und Reiter!), schaden dem Rennsport. Und der Rennsport schadet sich selbst, wenn er keine Mittel findet solches zu unterbinden oder zumindest zu bestrafen. Im vorliegenden Fall steht letztlich aber nichtmal etwas im Rennprotokoll (anders als z.B. in Deutschland, wo sogar jedes "Nasenbluten" registriert und offiziell vermerkt wird), so dass der SPV wohl auch keine Untersuchung einleiten kann (und will...). Wenn wir so weiter machen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn der Rennsport weiter negativ in den Medien erscheint.
Wenn das System schon (noch?) nicht funktioniert (seit dem Fall Nathalène im Herbst 2007 ist diesbezüglich nichts geschehen), müssen zwingend Besitzer und insbesondere die Trainer ihre Verantwortung wahrnehmen. Der blanke Hohn ist zudem, wenn nun wie im Fall Duc Martin, am Tag nach der Verletzung der Trainer eine Nennung für ein zwei Wochen später stattfindendes Rennen abgibt - wie um der ganzen Welt zu zeigen, dass alles in Ordnung sei...
Bleibt zu hoffen, dass Duc Martin nun definitiv das Reitpferd seiner Besitzerin wird, die - das ist ja das schier Unglaubliche - offenbar sehr an ihm hängt. Die ersten 1152 Franken an seine Pflegekosten hat der alte Kämpfer ja nun in seinem (hoffentlich) letzten Rennen verdient.
Markus Monstein
P.S. Bezüglich (Galopp-)Rennleitung sei mir noch folgende Bemerkung erlaubt: Dass dies mit Sicherheit einer der schwierigsten Jobs auf der Rennbahn ist, ist mir völlig klar. Doch es kann nicht sein, dass die Hauptaufgabe - so wird es von vielen wahrgenommen - überspitzt formuliert darin besteht, zu zählen wie oft ein Reiter seine Peitsche verwendet (um dann Sanktionen zu verhängen). Schon ein simpler Fall von Nichtwahrnehmens der Chance oder ausgesprochen passiver Reitweise (so geschehen im Dielsdorfer Sprint-Rennen - und überlegen wir doch mal, wann es zuletzt eine solche Untersuchung in der Schweiz gegeben hat?) ist leider kein Thema, was aus Sicht der Wetter schlicht eine Katastrophe ist. Hier wäre vielleicht Weiterbildung im oder aus dem Ausland hilfreich. Konstruktiv gemeint.
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