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Quo vadis Schweizer Hindernis-Rennsport?

Samstag, 06. Dezember 2008 22:08

Unser Hinweis zu einer Aussage im Jahresbericht des Präsidenten von Galopp Schweiz hat da und dort für einen roten Kopf gesorgt - wir versuchen aufzuklären und zeigen mit Zahlenmaterial, dass sich der Bestand an Hindernis-Pferden in der Schweiz in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert hat. 

Dass es dem Schweizer Hindernis-Rennsport nicht wirklich gut geht, ist insgesamt wohl unbestritten. Die kleinen Felder machen den Veranstaltern zu schaffen. Zum einen wegen der geringeren Nenngeld-Einnahmen, zum zweiten wegen den Sponsoren (die nicht immer verstehen, weshalb gerade ihr doch so wichtiges Rennen nur so wenig Pferde anzieht) und zum dritten weil das Publikum lieber in Rennen mit mehr Pferden wettet (nicht jeder Rennverein kann sich glücklich schätzen, so begeisterungsfähige Zuschauer zu haben wie Maienfeld).

So weit so gut. Wir störten uns an einer Aussage im Jahresbericht des Präsidenten von Galopp Schweiz, wo ein internationaler Vergleich herangezogen wird.
Wir zitieren: "Entgegen der Meinung einzelner Exponenten liegt auch unser Hindernissport nicht darnieder. Im Gegenteil liegen wir im prozentualen Verhältnis zwischen den Flach- und Hindernisrennen mit einem Anteil von gegen 30% für die Hindernisrennen ganz weit vorne an vierter Stelle, dies hinter Irland, England und der Tschechischen Republik (Quelle: www.handicapper.ch) Es stellt sich die Frage, ob dies nicht zuviel ist.

Der Anteil der Hindernisrennen am gesamten Kuchen der Galopprennen ist ja gut und recht. Er sagt aber kaum etwas aus.
Und wenn man diese Kennzahl schon heranzieht, muss man unseres Erachtens auch ihre zeitliche Entwicklung miteinbeziehen. Voilà: Vor 10 Jahren wurden in der Schweiz insgesamt 200 Rennen gelaufen, davon waren 65 Hindernisrennen und 135 Flachrennen (Verhältnis Flach/Hindernis also 48% gegenüber nur noch 30% im 2008). 

Fakt ist, es gibt (zu) wenig Hindernis-Pferde in der Schweiz, und es werden immer weniger: 2006 bestritten insgesamt 117 Hindernis-Pferde auf Schweizer Bahnen mindestens 1 Rennen. Ein Jahr später waren es 97 und im 2008 noch 95.
Zum Vergleich blättern wir etwas zurück: Vor 10 Jahren im 1998 liefen 137 Hindernis-Pferde mindestens ein Rennen in der Schweiz, vor 15 Jahren (1993) 166 und vor 20 Jahren (1988) gar 211. Zahlen die für sich sprechen. Der Bestand an Hindernispferden in der Schweiz ist in den letzten 10 Jahren um mehr als 30 % zurückgegangen und hat sich innert 20 Jahren gar mehr als halbiert (minus 55 %). 

Im Vergleich dazu die Flach-Pferde: Nicht weniger als 481 Pferde liefen im 1988 in der Schweiz Flachrennen. Dieser Bestand verringerte sich bis 1998 um einen Viertel auf 360 Pferde. Seither ist diese Zahl mit kleinen Auf- und Abbewegungen fast konstant geblieben. 2006 mit 340 gelaufenen Flachpferden, 2007 mit 335 und im 2008 mit 363.

Diese Zahlen zeigen eindrücklich die Verschiebung im Galopp-Pferdebestand in der Schweiz: Von Hindernis zu Flach. 

Auch wenn wir die ausbezahlten Gewinnsummen in Hindernis-Rennen anschauen, ist die Entwicklung wenig erfreulich: 1988 wurden auf Schweizer Hindernis-Bahnen 671'650 Franken Preisgeld ausbezahlt, vor 10 Jahren (1998) in 65 Rennen stolze 787'536 - und im 2008 waren es 642'624 Franken, also deutlich (18%) weniger als vor 20 Jahren (!). 

Ganz anders bei den Flachrennen: Wurden 1988 noch 1'170'500 Franken in Schweizer Flachrennen ausbezahlt, stieg die Summe praktisch kontinuierlich und betrug 2008 schöne  2'227'483 Franken - also fast eine Verdoppelung (plus 90%) bei den Flachrennen und im gleichen Zeitraum ein fast ein Fünftel (18%) weniger Preisgeld bei den Hindernisrennen.

Weiter geht es im Text. Mit gerade mal 333 Hindernis-Starts hat die Saison 2008 einen Minusrekord erzielt (346 waren es im 2007, 384 im 2006 und 459). Die Anzahl der Starts pro gelaufenes Pferd ist dafür sogar leicht höher als früher. 3.51 Starts absolvierte durchschnittlich jedes Hindernispferd, das in der Schweiz 2008 gelaufen ist, 2003 sowie 1998 waren es 3.36 respektive 3.35. 

Zum Vergleich: Bei den Flachpferden sind es im 2008 4.3 Starts gewesen, 2007 und 2006 je rund 4.6 Jahresstarts im Durchschnitt.

 

Quadratur des Kreises oder gordischer Knoten

Eine Lösung für die Situation im Schweizer Hindernis-Rennsport zu finden, ist schier unmöglich. So anerkennt auch Anton Kräuliger weiter hinten in seinem Jahresbericht die Problematik und beschreibt sie wie folgt:

"Insbesondere ist es schwierig im Hindernissport alle Wünsche zu befriedigen, denn es geht darum für gegen 70 bis 80 startberechtigte Hindernispferde in 3 Disziplinen (Hürden, Steeple, Cross), für unterschiedliche Jahrgänge und zwei Stärkeklassen auszuschreiben.

Es fehlt letztlich nicht an der Anzahl Rennen, im Gegenteil. Das Problem liegt in der Kumulation der Hindernisrennen im Frühjahr und Herbst, bedingt durch die Vorgabe der Rennvereine sowie in der Tatsache dass zwischen Juni und August in der Regel kaum ideale Bodenverhältnisse vorliegen, die es ermöglichen, Hindernisrennen mit gutem Gewissen durchzuführen."

Ob es wirklich die Lösung ist weniger Hindernis-Rennen auszuschreiben, wagen wir zu bezweifeln. Vielmehr, und da sind wir mit Kräuliger einig, müsste es auch im Sommer die Möglichkeit geben, Hindernisrennen in der Schweiz zu veranstalten, um den Hindernispferden ein kontinuierliches Programm zu ermöglichen. Insbesondere bei den Crösslern ist die Situation (mit vier Rennen im Mai/Juni innert 4 Wochen (!) und der geballten Ladung erst wieder im Herbst) prekär. 

Der springende Punkt ist einmal mehr das liebe Geld: Wer hat die finanziellen Mittel, im Sommer eine Hindernis-Bahn ausreichend zu bewässern? (wobei, dies als Klammerbemerkung: In Frankreich werden auf Provinzbahnen im Sommer auch Hindernisrennen gelaufen...). 

Und was die Sparte Cross betrifft, so bräuchte es die schon längst andiskutierte, aber nie realisierte Cross-Bahn im IENA, das ja ursprünglich als Zentrum für alle Rennsport-Disziplinen gebaut wurde. 

Von Cross-Plänen haben wir nichts konkretes aus Avenches gehört, wohl aber wird an der GV von Galopp Schweiz über eine mögliche IENA-Allwetter-Bahn orientiert. Affaire à suivre.    

 

Weniger Pferde, mehr Gewinn pro Pferd

Zum Schluss noch ein, zwei Zahlen, die für die Besitzer von Hindernispferden positiv sind: 

Pro Start gab es für jedes Hindernispferd im 2008 durchschnittlich 1929.80 Franken, das ist mehr als in allen Jahren mit denen wir verglichen haben (z.B. 2006 mit 1724.50 und 1998 mit 1715.-). 

Auf jedes gelaufene Hindernispferd entfiel im 2008 ein Gewinn von 6764.-, mehr als 1000 Franken mehr als vor 10 Jahren - im Durchschnitt versteht sich. 

Logisch, je weniger Starter es gibt, desto mehr Preisgeld bleibt für die, die laufen. 

 

Fazit: Es ist alles andere als einfach. Doch beim Publikum kommen die Hindernisrennen hervorragend an und auch für Besitzer/Trainer sind Hindernisrennen wichtig (weil sie Pferden, die auf der Flachen nicht oder nicht mehr schnell genug sind, neue Perspektiven und eben für Besitzer/Trainer weitere Einkommensquellen ermöglichen).

Kleine Denksport-Aufgabe: Weshalb sind viele Hindernisrennen am Anfang oder am Ende eines Renntages angesetzt? Eben genau deshalb, weil sie für einen grossen Teil des Publikums Magnet-Wirkung haben, was den Rennvereinen nicht verborgen geblieben ist. Darum müsste uns allen der Hindernissport besonders am Herzen liegen. 

Es gibt nur eines: Jeder muss sich in seinem Wirkungskreis für den Hindernissport einsetzen. Von den Zuschauern über die Besitzer/Trainern, Funktionären, Aktivverbänden und natürlich den Rennvereinen. Nur gemeinsam kann es gehen. 

 


Attraktive Hindernisrennen - insbesondere auf der Cross-Bahn - faszinieren (Foto: Ueli Wild)

 



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