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Galopp Schweiz-GV: Alles auf PREMIUM-Rennen ausgerichtet, Dielsdorf-Zukunft ungewiss, JPK mit Gast-Auftritt

jeudi, 01. mars 2012 23:01

Die 14. ordentliche Generalversammlung von Galopp Schweiz (vorher SGV) vom Donnerstag 1.3.2012 in Aarau brachte wenig Überraschendes an den Tag - ausser vielleicht einem Verlust von fast 71'000 Franken. Dafür lauschten die zahlreich erschienenen Anwesenden unter Varia gespannt den Worten von Jean-Pierre Kratzer.

(mmo) Es gab in der Vergangenheit Generalversammlungen des Galopp-Dachverbandes mit mehr Brisanz, mit mehr Spannung. Doch nur schon Traktandum 11, Antrag des Vorstandes betreffend "Projekt TiZ" (Turf in Zürich), hatte sicher für den einen oder anderen Gast/Besucher mehr gesorgt. 

 

Nun, der Saal im Gasthof zum Schützen in Aarau war rappelvoll (116 Leute sind es gemäss Galopp-Schweiz-Geschäftsführer Urs Muntwyler gewesen). Die Apéro-Tische mussten sogar kurzerhand weggeräumt und durch weitere Stühle ersetzt werden, damit alle Platz fanden. Einige trudelten nach 19 Uhr ein - der Termin an einem Donnerstag-Abend sorgte bei manchem für verkehrstechnische Probleme.

 

Der von seinem Skikjöring-Unfall nur noch marginal gezeichnete Präsident Jakob Broger führte ohne Probleme durch die 14.ordentliche Generalversammlung von Galopp Schweiz, seiner ersten als Präsident.

Weil der Vorstand letztes Jahr kurz nach der Wahl Brogers mit der Demission des damals neuen Finanzchefs André Spycher konfrontiert wurde, wie Borger es in seinem Jahresbericht schrieb, musste Broger auch gleich noch als Finanz-Chef (in seiner Arbeit freundlicherweise unterstützt durch den im 2011 zurückgetretenen Peter Scotton) "in die Hosen".

In dieser Funktion berichtete Broger der Versammlung über einen Verlust von 70'902 Franken - budgetiert war ein Gewinn von 5000 Franken. Die doch beträchtliche Diskrepanz erklärte Broger insbesondere durch Mindereinnahmen in den Bereichen Werbung und Sponsoring (rund 31'000 CHF), weniger Eintrittsgebühren (durch neue Besitzer; 8000 Franken) - sowie auf der Ausgabenseite mit Unterstützungen an Rennvereine (36'000 für Aufdotierung oder Neuausschreibung von Rennen) und höheren Kosten für den Transport/Unterhalt der Startboxen (53'774 gegenüber den budgetierten 35'000 CHF). Auch so nicht budgetierte Zahlungen an IENA für das System Equibase (welches ab 2013 von einem von IENA in Auftrag gegebenen neuen System abgelöst werden soll, welches Nennungen, Starterangaben etc. online ermöglichen wird) sorgten für ein noch grösseres Loch in der Kasse.

Durch den Verlust ist die Bilanz von Galopp Schweiz nun wieder (wie zu Zeiten der Mehrwertsteuer-Schulden) überschuldet. Das Eigenkapital beträgt minus 28'452 Franken.

In etwa dieser Betrag ist für 2012 als Gewinn budgetiert. Die Startboxen-Problematik soll durch den Kauf von Occasions-Boxen aus Frankreich gelöst werden, die in Frauenfeld stationiert werden könnten, wodurch deutlich weniger Transporte notwendig werden.

 

Die Décharge-Erteilung an den Vorstand wurde ebenso durchgewunken, wie die Genehmigung der Jahresberichte sowie die Änderung der Statuten. Neu ist der Geschäftsführer automatisch Vorstandsmitglied - er wird jedoch nicht durch die Generalversammlung gewählt, sondern vom Vorstand angestellt.

 

Mit einem kräftigen Applaus wurde Rolf Gossweiler (bekannt insbesondere als langjähriger Besitzer des Stalles Zürisee) in den Vorstand Galopp Schweiz gewählt, wo er den vakanten Posten des Finanzchefs übernehmen wird.

 

In verschiedenen Kommissionen und Chargen gab es indes Rücktritte zu verzeichnen. So traten bei den Lizenzkommission sowohl der Präsident Otto Frei (hatte von 2003 bis 2011 den Vorsitz) wie auch Meret Kaderli (1999 bis 2011 in der Kommission) und Ruedi Matter (21 Jahre in der Lizenzkommission!) zurück. Nachfolger von Otto Frei als Präsident wird sein Vorgänger: Andi Lanter, der vor Otto Frei bereits 15 Jahre die Kommission präsidierte, konnte nochmal für das Amt gewonnen werden.

 

Noch kein Projekt "Turf in Zürich" - Martin Gloor per sofort von Galopp Schweiz ausgeschlossen, Pferde nicht mehr startberechtigt

Zum mit Spannung erwarteten, eingangs erwähnten Traktandum 11 (Antrag des Vorstandes: Projekt Turf in Zürich) konnte Köbi Broger nichts Substanzielles sagen. Der Vorstand Galopp sei noch nicht in der Lage, ein Projekt zu zeigen und daraus abgeleitet einen Antrag zu stellen. 

Doch was die Turbulenzen um den RVZ-Präsidenten Martin Gloor betreffe, habe der Vorstand Galopp Schweiz am 13.Februar 2012 folgendes entschieden: "Martin Gloor wird per sofort als Aktivmitglied von Galopp Schweiz ausgeschlossen. Seine Pferde unter Ecurie Royale sind nicht mehr startberechtigt, so lange sie in seinem Besitz sind und nicht von der Staatsanwaltschaft veräussert werden. Der Entscheid kann an eine GV weitergezogen werden. Dafür gibt es eine Frist von 10 Tagen, die längst verstrichen ist. Aber wir wissen nicht, wie das mit der Zustellung in Untersuchungshaft ist..."

 

 

(Fast) alle Macht dem SPV - Premium-Rennen als einziger Hoffnungsträger

Nach rund 50 Minuten leitete Köbi Broger zum Traktandum 13 (Varia) über und gab das Wort an Jean-Pierre Kratzer. Der Präsident des SPV, VRV, Suisse Trot und von IENA nutzte inzwischen schon traditionell die Gelegenheit, der Galopp-Gemeinde seine Einschätzung der Lage mitzuteilen - brauchte dafür 10 Minuten länger als zuvor Broger für alle anderen Traktanden. Er zeigte sich zum einen erfreut, was die nackten Zahlen zum 2011 betrifft. "Wenn man nur die Zahlen betrachtet, war 2011 ein sehr erfolgreiches Jahr. Aber es gab auch viele Schwierigkeiten", so JPK. Alle Probleme, fuhr er fort, würden früher oder später auf seinem Schreibtisch landen. Dabei seien diese Probleme meist mit Enttäuschungen über einzelne Menschen verbunden.

Kratzer nannte die Probleme mit den gestrichenen oder zumindest temporär ausgefallenen Rennen in Luzern, Basel und Dielsdorf als Beispiele. In Sachen RVZ habe der SPV schon seit fünf Jahren immer wieder gewarnt. Bis zu 400'000 Franken hätten die Dielsdorfer zwischenzeitlich Kredit gehabt von den Dachverbänden. "Zum Glück haben wir im letzten Sommer so viel Druck gemacht. So gab es keine Ausstände mehr."

 

Kratzer betonte einmal mehr, der Rennsport habe sich geändert, ebenso das Umfeld. "Ich arbeite mit Freude weiter", erklärte er, forderte die Anwesenden jedoch auf, mehr Vertrauen (in ihn) zu haben.

 

"Wir müssen immer professioneller werden, moderner." So werde zum Beispiel bis Ende 2012 eine Finanzgesellschaft gegründet, die sämtliche Besitzer-/Trainerkonti führen werde. "Wir unterstehen dem Geldwäschereigesetz, deshalb ist es notwendig, dass Galopp Schweiz so rasch wie möglich das Besitzerreglement anpasst. Hier gibt es Druck von SPV."

 

Überhaupt übernimmt der SPV immer mehr das Szepter. "Alles was Risiken betrifft, ist Sache des SPV. Wir werden deshalb all diese Kompetenzen nehmen", erklärte Kratzer.

 

Die Zucht ist nun ebenfalls in SPV-Hand. Am 9.1.12 wurde der SPV vom Bund als Zucht-Ansprechpartner anerkannt. Es gibt auch wieder Prämien (15'000 Franken für den Galopp und 40'000 Franken für die inzwischen deutlich grössere Trab-Zucht). Es gibt eine neue Zuchtkommission mit je 3 Mitgliedern aus dem Trab und Galopp.

 

In Sachen Doping-Reglement und Tierschutz gibt der SPV nun plötzlich richtig Gas. "Wir müssen die Schweiz angleichen an das Niveau der Länder, die in diesem Bereich noch etwas zu sagen haben, wie Frankreich oder Schweden", so Kratzer, "der SPV wird weitere Massnahmen umsetzen. Es wird ein neues Monitoring der Pferde geben nach den Rennen. Wir arbeiten zudem an einer Ethik-Charta für Trainer und Besitzer. Pferde sind keine Geldmaschinen, sie sind unsere Freunde."

Schöne Worte, jetzt tut sich offenbar etwas zu Gunsten der Pferde. Treue Leser wissen: Wir hatten seit Jahren mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht - und dass wir Rennsport-intern Lösungen finden müssen, weil wir sonst von extern Probleme bekommen würden.

 

Nochmal gestrafft werden soll zudem die Weisung betreffend der Kriterien, die jeder Rennverein erfüllen muss, wenn er vom SPV die Lizenz für die Durchführung von Rennen erhalten will. "Hier geht es nicht nur um die Finanzen sondern auch um das Image. Dieses hat durch den Fall Gloor/RVZ stark gelitten."

 

 

Seltsames Medien-Verständnis

In seiner Rede bekamen auch die Medien (viele gibt es ja nun nicht mehr im Rennsport...) ihr Fett weg. Es gehe darum, professionell Informationen zu verbreiten, so JPK. "Der SPV wird auch klar sagen, was Information ist. Wir erwarten von einer Zeitung, einer Website (Anm. des Schreibenden: wer damit wohl gemeint ist?) oder von einem Journalisten, dass er die Ethik hat. Dass irgendwo kontrolliert wird, dass Informationen richtig mitgeteilt werden. Das werden wir ganz klar sagen. Richtige Information hat einigen Kriterien ganz klar zu entsprechen, sonst interessiert uns eine solches Medium nicht."

 

Zur Situation in Dielsdorf informierte Kratzer über die Rolle der eingesetzten Task Force: "Es ging nicht darum, das Ruder zu übernehmen, sondern um eine Standortbestimmung." Diese sei erfolgt und man gehe davon aus, dass Martin Gloor und die Core Capital AG Konkurs anmelden müssten. Dies berge Risiken für den RVZ, wenn die Gläubiger Zahlungen von Martin Gloor oder der Core Capital AG möglicherweise beim RVZ zurückzuholen versuchen würden.

 

"Das Trainingszentrum soll durch Private übernommen werden. Renn-Organisator soll Galopp Schweiz werden", so Kratzer, der in der Folge etwas Interessantes sagte: Natürlich könnte IENA das alles von einem Tag auf den anderen übernehmen, man habe schliesslich die Kompetenz, das Know How dazu. "Doch das will man hier in der Deutschschweiz nicht unbedingt."

 

Auf jeden Fall dränge die Zeit. "Jeder Tag, der vergeht, ist ein Tag zu viel. Wenn man im 2013 zwei Renntage machen will, müssen die Weichen bis Ende Juni gestellt sein." JPK meinte damit insbesondere die Sponsorensuche, die sich seines Erachtens schwierig gestalten werde nach dem erlittenen Imageschaden.

 

Somit bleibt als Fazit: Die Premium-Rennen (wie die PMU-/PHH-Rennen nun heissen) sind der grosse, faktisch der einzige Hoffnungsträger.

 

Köbi Broger brachte es in seinem Schlusswort auf den Punkt: "Es geht uns nicht um Galopp Schweiz, sondern um den Galopprennsport in der Schweiz!"

 

Dem ist nichts hinzuzufügen. Dieser Satz wird mehr und mehr Programm.

 

 

Weitere Themen wie Nachwuchs-Rennen, neue Begriffsdefinition der "Behinderung" etc. greifen wir in den kommenden Tagen separat auf.

 



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